V. Das Gnadenbild Mariahilf
Das laut Signatur von Giovanni Pietro de Pomis 1611 geschaffene Gemälde befand sich ursprünglich nicht am Hochaltar, sondern hing zunächst in einer Kapelle oder an einem Seitenaltar. Erst um 1700 wurde es an dieser prominenten Stelle der Kirche präsentiert, da das Bild die Wallfahrer in Scharen anlockte. Eine Legende aus seiner Entstehungszeit trug zum wundertätigen Ruf des Bildes bei. Danach soll de Pomis seine finanziellen Forderungen für das Gemälde ins Maßlose gesteigert haben und dessen Fertigstellung verzögert haben. Als Strafe dafür verlor er sein Augenlicht, das er erst nach dem Versprechen, das Bild umsonst zu malen, wiedererhielt. Der in höchster Verzweiflung von dem Maler ausgesprochene Ruf „Maria hilf!“ verschaffte dem Bild seinen Namen. Später erhielt es auch den Titel „Stadtmutter von Graz“.
Das hochformatige Gemälde ist in eine himmlische und eine irdische Sphäre eingeteilt. Während die irdische Szenerie von einer angedeuteten Architekturkulisse hinterfangen wird, ist der Himmel durch Wolkenbänder und Engel als solcher gekennzeichnet. Am unteren Bildrand sind Gefangene, Kranke und Hilfsbedürftige dargestellt. Links stützt ein Mann einen Fallsüchtigen. Sein linkes Bein hat er dabei auf ein Podest gestellt, auf dem die Signatur des Künstlers und die Datierung vermerkt sind: Iohannes Petrvs de Pomis lavdensis f mdcxi (Johann Peter de Pomis aus Lodi hat dies 1611 gemacht). Über dieser Gruppe ist am linken Bildrand der Ordensgründer Franziskus von Assisi zu sehen, der zur Gottesmutter aufblickt. Auf diese verweist auch die hervorgehobene gekrönte Gestalt in der rechten Büdmitte, die die hl. Elisabeth von Thüringen darstellt. Die Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und Gemahlin des Landgrafen Ludwig von Thüringen lebte zu Beginn des 13. Jahrhunderts und wTar für ihre Nächstenliebe und mildtätigen Werke berühmt. Auf dem Bild halten Engel ihr Attribut, einen Brotkorb, und legen Rosenblüten hinein. Die Darstellung bezieht sich auf das im Zusammenhang mit der Heiligen überlieferte sog. Rosemvunder. Der Landgraf, von seiner Umgebung wegen der angeblichen Verschwendungssucht seiner Gemahlin aufgehetzt, stellte diese zur Rede, während sie mit einem großen Brotkorb die Burg verließ. Als er einen Blick in diesen warf, fand er darin aber nur Rosen vor. De Pomis verlieh der Figur die Gesichtszüge der Gemahlin Erzherzog Ferdinands III., Maria Anna von Bayern. Maria Anna w^ar die Schwester des bayerischen Kurfürsten Maximilian I. (*1573; ti65i), der als Vertreter der Katholischen Liga und Kämpfer im Namen der Gegenreformation eine entscheidende Rolle im Dreißigjährigen Krieg spielte. Hinter der hl. Elisabeth von Thüringen ist am rechten Bildrand die Franziskanerheilige Klara von Assisi mit ihrem Attribut, der Monstranz, zu sehen.
Die durch ein Wolkenband vom unterhalb stattfindenden Geschehen getrennte himmlische Sphäre zeigt im Zentrum die Madonna mit Kind, die Grazer Stadtmutter. Diese Mariendarstellung fand in zahlreichen Votivbüdem und Kopien eine wTeite Verbreitung und schmückt manche Grazer Hauswrand. Während Maria liebevoll auf den in ihrem Schoß ruhenden Sohn herabsieht, blickt Jesus melancholisch in eine unbestimmte Ferne, möglicherweise sein Schicksal vorausahnend.